Neuhegelianisches Kulturluthertum by Julius Trugenberger

Neuhegelianisches Kulturluthertum by Julius Trugenberger

Autor:Julius Trugenberger
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: De Gruyter
veröffentlicht: 2021-07-19T08:59:03.145000+00:00


„Läge wirklich Identität [im Sinne der formalen Logik] vor, dann gälte auch Umkehrbarkeit der Aussage [nach dem Muster: Dieses Brot ist mein Leib = mein Leib ist dieses Brot, etc., Anm. JT], wie [gegen Luther] die Calvinisten [hier abwertend für die gesamte reformierte Theologie, Anm. JT] argumentieren, dann sei nicht nur Brot und Wein Leib und Blut [Christi], sondern Leib und Blut [Christi] auch Brot und Wein.“166

In der Konsequenz „gäbe es den ‚brötern Gott‘“167 als Gipfelpunkt aller Verdinglichung. Der ‚bröterne Gott‛ als reformiertes Zerrbild lutherischer Abendmahlstheologie gründet nach Brunstäd in dem Missverständnis, Luther habe die gleichen (substanzontologischen) Denkmittel gehabt wie die katholische Tradion, er „lehre wirklich wie Thomas […] eine materia coelestis eingefaßt in eine materia terrestris“, es sei für ihn tatsächlich „der Leib [Christi] räumlich in das Brot eingeschlossen“ gewesen.168 Doch Auffassungen wie diese, dass der himmlische Leib Christi im Konsekrationsakt auf die Erde herabzitiert werde, um dann wie ein Ding in der verklärten Hostie eingeschlossen zu sein, seien dem Wittenberger Reformator fremd gewesen. Der katholischen Lehre von der Transsubstantiation, der geheimnisvollen Verwandlung der Elemente, die hier im Hintergrund stehe, habe er aufgrund der Nähe dieses Dogmas zur Magie und zu der Suggestion, Gott sei verfügbar, eine klare Absage erteilt.169

Einem dinglich-magischen Missverständnis der Realpräsenz, wie es der Katholizismus nach Brunstäds Dafürhalten tendenziell lehrt, will der Rostocker Theologe dadurch entgehen, dass er die Einheit Christi mit den Elementen mit Figuren durchdenkt, die Christi aktuales Sein in den Gaben mit personalistisch-voluntaristischen Denkmitteln zu erfassen suchen.170 Er meint, auf diese Weise die altlutherischen Lehrintentionen „erst recht zu überzeugender Geltung“171 bringen zu können. Ausgangspunkt sind dabei Überlegungen zur Einsetzung des Abendmahls durch Christus am Gründonnerstag, schließlich könne „[d]er Sinn unseres Abendmahls [heute] […] kein anderer sein als der des ersten.“172 Damals war laut Brunstäd „[v]om verklärten Leib und Blut […] nicht die Rede, sie konnten auch hier [zu Zeiten des irdischen Christus] noch gar nicht die Gabe sein.“173 Doch habe Christus am Gründonnerstag bei der Einsetzung des Abendmahls „seinen Willen in […] Brot und Wein“ gelegt.174 Er habe einen „Wiederhohlungsbefehl“175 zur einsetzungswortkonformen Austeilung der Gaben ausgesprochen, um so seinen Jüngern zu verdeutlichen, dass er die Abendmahlsfeier als Möglichkeit der „Fortsetzung seiner geschichtlichen Gegenwart über den [von ihm erlittenen] Tod hinaus“ begreife.176 Immer wenn die Jünger nach dem Gründonnerstag Christi Willen befolgten und Brot und Wein nach Aufsagen des Worts der Verheißung austeilten, knüpften sie an den Gründonnerstag in einem solch realen Sinn an, dass hierbei eine „Fortsetzung der geschichtlichen Gegenwart [Christi] in leibhafter Willensgestalt“ vorliege.177 Wenn heute dem Willen Christi entsprochen werde und die Gaben einsetzungswortkonform ausgeteilt würden, „ist er [Christus] nach seiner Zusage, mit der er sich uns zu eigen gibt, mitten unter uns, stellt er uns seinen ersten Jüngern gleich, die mit ihm auf Erden gewandelt sind.“178

Vor dem Hintergrund, dass Brot und Wein von Christus am Gründonnerstag nicht durch Magie zu „einer übernatürlichen Stofflichkeit“179 verklärt worden sind, sondern seitdem schlichtweg Christi Willen beinhalten, den die Kirche über die Zeiten hinweg in ihrer Ritualpraxis verkörpert, geht Brunstäd nicht von einer magisch-dinglichen, sondern von einer willentlichen From der Realpräsenz aus.



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